Therapie nach Affolter

Dr. Fèlicie Affolter
Dr. Fèlicie Affolter, geboren 1920 in Bern, Psychologin und Therapeutin, entwickelte während ihrer jahrelangen Arbeit mit wahrnehmungsgestörten Patienten das Konzept der 'Affolter-Therapie'. Sie war Schülerin des Entwicklungspsychologen Jean Piaget und gründete das Sankt Galler Zentrum für Wahrnehmungsstörungen.

Bedeutung der Wahrnehmung

Wahrnehmung beinhaltet sehr komplexe Vorgänge. Sie ist die Voraussetzung, um lernen und sich an verändernde Umweltbedingungen anpassen zu können: Der Mensch ist im täglichen Leben ständig gezwungen, sich an Ereignisse, Menschen und Veränderungen in seiner direkten Umgebung anzupassen. Wahrnehmung umfasst alle Mechanismen, die an der Verarbeitung von Reizen beteiligt sind, welche sich aus einer bestimmten Situation heraus ergeben. Zu diesen Mechanismen gehören zum Beispiel Wiedererkennungsleistungen.

Spüren und Bewegen als wichtigste Bestandteile der Wahrnehmung
Affolter stellt in ihrem Konzept die 'taktil-kinästhetische Wahrnehmung' in den Mittelpunkt, das heißt das Spüren und Bewegen. Schon Babys lernen und begreifen ihre Umwelt mit dem gesamten Körper: mit dem Mund, den Lippen, den Händen. In der weiteren kindlichen Entwicklung werden zielgerichtete Handlungsfolgen ausgeführt, die auch auf Sprache und Sprachverständnis aufbauen. Innerhalb der nicht sprachlichen Interaktion (= aufeinander bezogenes wechselweises Handeln, ohne die Sprache zu benutzen) spielt das taktil-kinästhetische System eine besonders große Rolle.

Nach Affolter mangelt es Kindern und Erwachsenen mit schweren angeborenen oder erworbenen Schädigungen des zentralen Nervensystems an angemessener, gespürter Auseinandersetzung mit der Umwelt: Kindern fehlt in diesem Fall die notwendige Grundlage, bestimmte Stufen der geistigen und sozialen Entwicklung zu durchlaufen. Die Folge sind mehr oder weniger stark ausgeprägte Probleme beim selbständigen Meistern oder Gestalten der Lebenssituation.

Ansatz der Affolter-Therapie
Hier setzt die auch als 'Geführte Interaktionstherapie' bezeichnete Affolter-Methode an. Die in der Wahrnehmung gestörten Menschen werden gezielt unterstützt, indem ihnen ermöglicht wird, praktisch und alltagsbezogen zu lernen. Durch gezieltes Führen des Körpers während alltäglicher Geschehnisse können die spürbaren Informationen dieser Situation besser erfahrbar gemacht werden. 'Führen' heißt: eine andere Person, beispielsweise der Therapeut oder ein Angehöriger, führt mit dem Körper, den Händen des Patienten Handlungen/Tätigkeiten so aus, dass zwischen Patient und Umwelt eine Beziehung hergestellt wird. Ergebnis ist ein sicht- und spürbares Erfolgserlebnis. Affolter betont, dass mit den Patienten - sie bezieht sich vor allem auf autistische Kinder - lange gearbeitet werden muss, damit die Voraussetzungen für die eigenständige Übernahme eines Handlungsablaufes geschaffen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind viele überschaubare Teilschritte notwendig.

Die Affolter-Methode hat sich bewährt

Die Affolter-Methode bietet sich vor allem - aber nicht nur - für die Behandlung autistischer Kinder an. Diese können schwer spontan nachahmen und verstehen sprachliche Anweisungen nicht ausreichend gut. Die Affolter-Methode gehört inzwischen zu den wichtigsten therapeutischen Ansätzen in der Arbeit mit schwer wahrnehmungsgestörten Patienten.

 

 

"Ich weiß wo ich bin, was passiert und was von mir erwartet wird"
Fèlicie Affolter